Verbandstag im "neuen BuBiZa"
69. Verbandstag zeigt eindrucksvoll, wie der Holzbau an Fahrt aufnimmt
April 2019_Kassel - Diana Wetzestein
Standort mit Tradition und Zukunft
Der 69. Verbandstag war Fachtagung und „Familientreffen“ zugleich. Ein ganz besonderer Verbandstag also, der neben den Potentialen für das Handwerk auch die Natur und jeden Teilnehmer persönlich in den Focus nahm. Denn am Standort Kassel kamen die Erinnerungen an die Zeiten hoch, als hier nicht nur gelernt oder gelehrt, sondern auch lebenslange Freundschaften geschlossen wurden. Das Bundesbildungszentrum für das Zimmerer- und Ausbaugewerbe (BUBIZA) als Veranstaltungsort zu wählen, stieß auf große Sympathie, genauso wie das Programm.
Volker Baumgarten, Vorsitzender Holzbau Deutschland – Verband Hessischer Zimmermeister e. V., wies darauf hin, dass die Verbandstage immer auch die neuesten Entwicklungen in Technik und Verordnungen präsentieren und man zudem "immer versuche, hochwertige Seminare anzubieten", sagte Baumgarten, der sich vor allem für die Teilnahme der Aussteller, die gute Vorbereitung durch die Geschäftsstelle und bei Stadtrat Bernd Peter Doose für das Grußwort der Stadt Kassel bedankte.
Gespickt mit aktuellen Themen zu Klimaschutz, mehrgeschossigem Holzbau oder Arbeitssicherheit, mit interessanten Vorträgen und hochkarätigen Referenten, gelang, was Baumgarten sich vorgenommen hatte. Neueste Abbundtechnik zu sehen, Vorführungen zu Brand- und Personensicherung zu erleben und eine Messe zu besuchen, auf der man mit den Anbietern von Software, Maschinen und Material ins Gespräch kommen konnte, dieses Angebot nahmen mehr als 400 Gäste an zwei Tagen wahr. Neben dem außergewöhnlichen Zunftabend, organisiert von Obermeister Peter Hellmuth, Zimmererinnung Kassel, beeindruckte eine "condetti-Show".
Die Präsentation des "neuen Bundesbildungszentrums" stellte einen weiteren Höhepunkt dar. Helmhard Neuenhagen, der die Modernisierungs-, Investitions- und Umbauarbeiten über drei Jahre bei laufendem Ausbildungsbetrieb leitete, war die Erleichterung anzusehen, als er durch das BUBIZA führte und dabei Konzeption und Entwicklung erläuterte. "Es ist gelungen, die Optik des Gebäudes einheitlich in Holz zu gestalten. Durch die moderne technische Ausstattung haben wir die Möglichkeit, die gesamte Wertschöpfungskette hier abzubilden", sagte er. Jetzt sei es möglich, die Arbeit von der Planung, über Konstruktion, Fertigung der Bauelemente bis zur Montage auf der Baustelle durchzuführen. Dies stelle in ganz Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal dar. "Wir sind Vorreiter bei diesem Angebot und entwickeln dazu gerade Schulungskonzepte", so Neuenhagen.
Das BUBIZA ist modernes Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum für das Zimmerer- und Holzbaugewerbe, es sorgt dafür, dass Kassel weiterhin einer der besten Standorte in Deutschland bleibt. Das bestätigte auch Peter Aicher, Vorsitzender von Holzbau Deutschland – Bund Deutscher Zimmermeister im Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V. und Präsident von Timber Construction Europe. Sein Urteil über das neue Bundesbildungszentrum war eindeutig: "So etwas gibt es in ganz Deutschland nur selten, die Aus- und Weiterbildung an diesem Standort ist von hoher Qualität", sagte er und dass dies eine Voraussetzung dafür sei, von den Chancen, die sich dem Holzbau aktuell und in Zukunft böten, zu profitieren.
Über einen Mangel an Aufträgen können sich die meisten derzeit nicht beklagen. Die Auftragsbücher sind voll, die Belastbarkeit der Firmeninhaber und der Angestellten ist an ihre Grenzen gestoßen. Der Vortrag von Dr. Dieter Brecheis, Dr. Brecheis Management aus Maur, war daher gut gewählt. Er ließ keinen Zweifel daran, dass mehr Balance und Lebensqualität wichtig sind, er brachte die Zuhörer im voll besetzten Seminarsaal zum Schreien, Hüpfen und zum Lachen. Die Botschaft: Spaß und Freude, die Familie, der Partner und das, was jeder braucht, muss Platz haben im Leben, um neue Energie für die tagtäglichen Herausforderungen zu schöpfen.
Denn die Verantwortung, die jeder einzelne hat, ist groß. Der Holzbau als Vorbild für das Baugewerbe der Zukunft? Diesen Titel wählte Dr. Monika Griefahn, Vorsitzende von Cradle to Cradle e. V. und Gründerin von Greenpeace Deutschland. "Wer klimaneutral werden will, muss den Holzbau nutzen", sagte sie und machte die große Verantwortung der Holzbaubranche an der zukünftigen Klima- und Umweltsituation deutlich. Allein das Abfallaufkommen von Bau- und Abbruchabfällen liege bei 52 Prozent, darum müsse auf die Rückbaumöglichkeiten geachtet und Verbundstoffe nur dann eingesetzt werden, wenn sie einfach separiert werden könnten. Holz sei optimal für eine Kaskadennutzung, Wald ausreichend vorhanden.
Am Abend feierte man im Löwenhof, einer rustikalen Scheune in Lohfelden, unter einer imposanten Holzbalkendecke. Obermeister Hellmuth hatte nicht zu viel versprochen, als er ankündigte, so zu feiern, "wie er es von den Altvorderen immer gehört hatte" und lud kurzerhand eine Rockband und eine Pole-Dance-Akteurin zur Unterhaltung ein.
Der zweite Tag stand unter dem Motto des 15. Kassler Holzbaukongresses. Prof. Achim Vogelsberg, THM Gießen und Vorsitzender von pro holzbau hessen begann mit einem Rückblick auf den Fachkongress Holzbau in Wiesbaden. "Die Chancen und Trends für modulares Bauen in Holz liegen vor allem in den Bereichen Wohnungsbau und Aufstockung von Bestandsgebäuden", so Prof. Vogelsberg. Er animierte die Anwesenden, sich an größeren Ausschreibungen zu beteiligen und gemeinsam Elemente oder ganze Raummodule in Holzbauweise zu erstellen. Das Netzwerk, bestehend aus dem Verband, dem BUBIZA und dem Cluster, stellt als Ansprechpartner ein solides Fundament dafür dar.
Ralf Böttger, Geschäftsführer Holzbau Deutschland – Verband Hessischer Zimmermeister e. V. und Organisator der Veranstaltung, kündigte eine Interaktion zwischen Experten und Teilnehmern an. "Wir wollen die Mitglieder auffordern, Konstruktionsbeispiele mit Hilfe von condetti zu erläutern und zu diskutieren", sagte er. Tatsächlich war das Interaktive erfrischend und neu. Denn die drei Experten Robert Borsch-Laaks, Christoph Hubweber und Prof. Dr. Stefan Winter bespielten den gesamten Seminarraum, sie unterhielten, klärten auf und machten deutlich, dass jede Konstruktion im Detail einer aufmerksamen Betrachtung bedarf.
Vorausgegangen waren Vorträge der drei Experten. Prof. Stefan Winter, TU München, referierte über mehrgeschossigen Holzbau, der seriell mit Tafelelementen realisierbar sei. "Diese Elemente können aus Brettsperrholz oder Holzrahmenbau oder anderen Materialien sein und als eine Art Systembaukasten gebaut und auf der Baustelle zusammengesetzt werden", sagte er. Der Nachwuchs im Zimmererhandwerk habe heute schon die Möglichkeit, im Systembau zu bauen und könne so auch den Massenmarkt bedienen, ohne immer Neues erfinden zu müssen. Robert Brosch-Laaks ging auf die graue Energie ein, die ein Dämmstoff verbraucht, bevor er als Produkt am Markt erhältlich ist. Er riet, genauer hinzusehen und zu berechnen, ob sich der vermeintlich bessere Dämmstoff auch tatsächlich auszahle.
Mit dem Vortrag über gebauten Schallschutz zeigte Christoph Hubweber aus Niedenstein, dass es auch dort auf jedes Detail ankommt. Im Holzbau ist auch er von enormer Bedeutung und muss genau betrachtet werden. Auch darum gibt es für die Praxis "Schallschutz im Holzbau, Grundlagen und Vorbemessung" einen Leitfaden, der kostenfrei heruntergeladen werden kann.
Am Ende des 69. Verbandstages war klar, wer ihn verpasst hat, sollte die Einladung zum 70. Verbandstag in den Landkreis Gießen annehmen. Denn der Verbandstag ist immer eine Reise wert, um Neuigkeiten zu erfahren, Freunde zu treffen und die Entwicklung des Handwerks mitzuerleben.