Hausbesuch bei "Ax Holzbau"
"Wir müssen wieder mehr Zimmerer ausbilden." Zitat: Obermeister Christian Sturm
Oktober 2016_Dillenburg - Diana Wetzestein
Holz ein Stück weit mehr verstehen
"Früh morgens um halb sechse stehn wir auf - und steigen aufs Gerüst hinauf. Darum aufgeschaut, fest Gerüst gebaut und auf seinen Kamerad vertraut. Holz her!" Dieses Lied, Zimmermannsklatsch und Zimmerer in der traditionellen Kluft sind bei Bauherren und Gästen willkommen. Auch am ersten Samstag der Hessentagswoche in Herborn, als Mitglieder der Zimmererinnung Lahn-Dill mit ihrem Obermeister Christan Sturm ein Fachwerkhaus aufrichteten, wurde das am Ende des Tages zum Besten gegeben. Von "halb sechse" am Morgen bis 18 Uhr am Abend stellten sie ein Fachwerkhaus auf und machten auf das Handwerk, die lange Tradition, die Qualität der Arbeit und den Baustoff Holz aufmerksam.
Der Hessentag wurde zur Werbeplattform, über positive Rückmeldung aus den sozialen Netzwerken, den Berichten in Tageszeitungen und Fernsehsendungen konnten sich die Mitwirkenden aus 22 beteiligten Betrieben freuen. Die Zimmerer-Innung Lahn-Dill war ganze zehn Tage beim Hessentag präsent. Sie nahmen sich die Zeit, trotz der guten Auftragslage im Handwerk. Allein die Vorbereitungen für den Bau des Fachwerkgebäudes waren zeitaufwändig, die ständige Präsenz der Zimmerer auf dem Außengelände, wo informiert, Holzkunst und über 900 Nistkästen verkauft wurden, war gut besucht. "Das Interesse am Holz und unserer Arbeit war sehr groß", sagt der Obermeister. Darum sieht er in der Netzwerkarbeit des Holzbau Cluster Hessen (HCH) nicht nur für seine Innungsmitglieder großes Potential und ist seit Oktober 2015 mit dabei.
Er ist ein authentischer Fürsprecher des Zimmererhandwerks. Schon in den 1980er-Jahren, während der Oberstufe und vor seinem Studium, arbeitete er in den Schulferien in einer Zimmerei. Dass ihn sein Weg zum Zimmer- und Dachdeckermeister und schließlich zum Obermeister der Innung Lahn-Dill führen würde, ahnte er damals noch nicht. "Nach meinem Abitur habe ich zwei Jahre bei der Bundeswehr die Sanitätslaufbahn eingeschlagen, dann in Gießen drei Semester Medizin studiert", erzählt der 46-Jährige. Obwohl ihm das Studium keine Probleme machte, wollte er dann doch Zimmermann werden und machte Nägel mit Köpfen. Er brach sein Studium ab, stieg verspätet ins zweite Ausbildungsjahr ein und schloss die Lehre nach 17 Monaten mit einem Stipendium der Handwerkskammer ab. Direkt im Anschluss ging es zur Meisterschule nach Kassel. Bei AX-Holzbau stieg er dann als Geschäftsführer ein und konnte den Betrieb Mitte 2002 übernehmen. Heute hat er sieben Angestellte, darunter drei Zimmerergesellen, Meister, Lehrling und Praktikant. Seine Ehefrau Katja ist seit ihrer Kindheit mit diesem Handwerk verbunden und in der Buchhaltung für die Zahlen zuständig.
Mit dieser Mannschaft und einem modernen Maschinenpark in einer großen Halle Am Sportzentrum in Dillenburg erledigt er die Aufträge. Dabei stelle er immer mehr fest, dass die Wertschätzung für das Holz abgenommen habe, sagt Christian Sturm. "Das liegt nicht nur am Preis. In den 1990er Jahren kostete das Leimholz 1100 Mark, heute 450 Euro, sondern auch daran, dass Planer und Architekten regional bedingt in Stahl und Beton denken", so Sturm. Es ist der Holzhandwerker, der als Veredler des nachhaltigen Ökoproduktes "Holz" erst das daraus machen kann, was der Mensch braucht: das Dach über dem Kopf, ein ganzes Haus, Möbel oder Freizeitgeräte. Und das Thema "Holz und Gesundheit", das Sigmund Schuster aus Bierstein ganz bewusst sichtbar mache, sei ebenfalls ein positives Argument. "Er schreibt und spricht gezielt darüber, was uns allen eigentlich klar sein sollte. Davon können wir anderen Holzbauer lernen und profitieren", meint Sturm.
Einen "klasse Holzbau, markant und futuristisch" nennt er das Bürgerhaus in Herborn, das Drehhaus von Christopher Rinn in Heuchelheim eine "unglaubliche Innovation". Sturm selbst hat vor zwei Jahren ein Massiv-Holz-Mauer-Haus aufgestellt, aus einem Stall für das Hotel Gutshof ein Hotelgebäude gemacht. Sein Spezialgebiet ist das Bauen im Bestand, wo Umbauten oder Aufstockungen gemacht werden. Etwa 60 Prozent seiner Arbeit mache das aus, 20 Prozent Fachwerksanierung und 10 Prozent Neubauten. Der Rest seien allgemeine Zimmererarbeiten, reine Holzbauten stelle die Firma Ax drei pro Jahr auf. Genau diese Zahl könnte durch die Arbeit des HCH gesteigert werden, wenn an den Hochschulen müsse der Holzbau stärker gelehrt und gefördert werden.
Denn Techniker, Ingenieure und Architekten entscheiden meist über den Baustoff. Schlüsselfertige Projekte könnten die kleinen Betriebe nicht anbieten, "es ist aber trotzdem gut, wenn immer mehr Bauten in Holz geplant und ausgeführt werden", sagt der Obermeister. "Bei den Ausschreibungen haben Zimmererbetriebe wie wir oft keine Chance. Die Preise der Wettbewerber sind meist jenseits von Gut und Böse, die Auftragnehmer müssten eigentlich drauflegen, wenn sie richtig kalkuliert hätten", so Sturm.
In der Schweiz solle es eine Art Holzbau-Katalog geben, in dem Preise fürs Handwerk so vorgegeben würden, wie in einer Gebührenordnung für Anwälte, erzählt er. "So was wünsche ich mir für unseren Markt", sagt Sturm, der die Preisschacherei der Architekten gegenüber dem Handwerker milde gesagt als "unschön" bezeichnet. Der Handwerker werde so weit gedrückt, bis es nicht mehr ginge. Viel Umsatz, aber wenig Ertrag, so erlebe das auch der Holzhandel.
Den Grundgedanken des HCH, ein neues Netzwerk zu gründen, bei dem der Werkstoff Holz im Vordergrund steht, hält Sturm aus genannten Gründen für äußerst wichtig. Alle wichtigen Informationen sollten zeitnah und übersichtlich kommuniziert werden, vielleicht durch einen Newsletter oder Online-Informationen. "Wir brauchen das Netzwerk, Verständigung und Verständnis untereinander. Der Erfolg hängt von den Personen ab, die an den entsprechenden Stellen eingesetzt sind. Wenn wir die Dinge optimal zusammenführen, kann der Holzbau auch im derzeitigen Bauboom mehr wahrgenommen werden und nachhaltig erfolgreich sein", so Sturm.
Ob einer seiner drei Söhne von dieser Nachhaltigkeit profitiere und den Betrieb übernehmen wird, weiß Christan Sturm noch nicht. Was heute für ihn zählt ist der Spaß der ganzen Familie, aus mit Leidenschaft, Kreativität und Wissen aus Holz verschiedene große und kleine Holzkunst-Stücke bauen zu können.
Profil:
- Ax Holzbau
- Zimmermeister Christian Sturm
- Jahrgang 1970
- Geburtsort: Berlin-Charlottenburg
- Betrieb: Übernahme 2002
- Gewerke: Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten, energetische Sanierung, Aufstockung, Bauen im Bestand