Hausbesuch bei "Holzbau Ritter"
"Wir müssen wieder mehr Zimmerer ausbilden, geeignete junge Leute dafür gibt es, wir müssen die nur aufspüren." Zitat: Zimmermeister Ralf Ritter
Oktober 2016_Greifenstein-Allendorf - Diana Wetzestein
Verantwortung hat ihren Preis
Die Zeichnung lässt sich auf dem großen Bildschirm hin und her bewegen, sie lässt sich drehen und jederzeit verändern. Es ist das letzte Großprojekt von Holzbau-Ritter in diesem Jahr. Eine Dachkonstruktion, die Ralf Ritter selbst gerechnet und konstruiert hat, zwei ineinanderlaufende Walm-Dächer auf einem Neubau. Über Eck gebaut mit Haustürvorbau, Türmchen und Gauben entsteht hier eine individuelle und interessante Dachlandschaft.
Einen Architekten gibt es für dieses Bauvorhaben nicht. Zimmermeister Ritter ist der "Architect", ein Wort, das aus dem Griechischen kommt und "oberster Handwerker, Baukünstler oder Baumeister" bedeutet. Dieser ist, historisch belegt, meist ein Zimmermann gewesen, der sich mit der technischen, wirtschaftlichen, funktionalen und gestalterischen Planung und dem Aufbau von Gebäuden befasste. Ganze Straßenzüge sind durch ihn entstanden, denn er war der Stadtplaner der vergangenen Jahrhunderte und hatte auch die Verantwortung dafür zu tragen.
Auch heute gibt es für den 50-jährigen Zimmermeister noch genug zu tun. Trotz seiner achtköpfigen Mannschaft aus Zimmerern, Schreinern, Dachdecker und Auszubildenden fehlte es an weiteren Fachkräften für die derzeitige Auftragslage. Um Spitzen abzufangen, hatte er schon über Zeitarbeiter nachgedacht, die sind in einem Betrieb im Bauhauptgewebe aber nicht erlaubt.
Sohn Nico ist mit 22 Jahren Deutschlands jüngster Zimmer- und Dachdeckermeister, außerdem Energieberater und würde gern noch seinen Restaurator im Handwerk machen. Und ein Hobbit Haus bauen, denn bei einem solchen Erdhaus haben die Ritters schon mitgeplant, Holz geliefert und Tipps gegeben, gebaut hat es der Kunde aber in Eigenleistung und Eigenverantwortung. „Wir mussten uns zurückhalten, weil das Bauvorhaben im öffentlich-rechtlichen Raum liegt. Es steht im Outdoorzentrum Lahntal, wo auch drei achteckigen Häuser aus der Zimmerei Ritter zu einem Gebäude wurden, in dem in diesem Jahr fast 30 Ehen geschlossen wurden. Mitten im Wald steht dieses Gebäudeensemble, durch dessen Glaskuppeldach der Mensch seinen Blick in die Bäume richten kann.
Diese liefern, was der Zimmermann verbaut: Holz. Es ist der Baustoff, der wieder mehr Wertschöpfung bekommen soll. Dafür ist auch das Holzbau Cluster Hessen (HCH) angetreten, zu dem Holzbau-Ritter durch die Innungszugehörigkeit zählt. Zur Netzwerkarbeit des HCH gehört es auch, die Situationen der Handwerker sichtbar zu machen und an die Stellen zu transportieren, wo sie diskutiert und Lösungen gefunden werden können. Nur so kann ein traditioneller Beruf weiterbestehen und durch mehr Auszubildende in dieser Branche.
"Wir müssen wieder mehr Zimmerer ausbilden, geeignete junge Leute dafür gibt es, wir müssen die nur aufspüren", sagt Ralf Ritter. Wer den Beruf erlernen will, muss sich heute auf eine anspruchsvolle Ausbildung vorbereiten. Nico Ritter, Mitglied im Prüfungsausschuss für das Zimmerhandwerk in Kassel, weiß, "die Details, die heute in der Gesellenprüfung abgefragt werden, waren vor ein paar Jahren noch Bestandteile der Meisterprüfung."
Zu den hohen Anforderungen gesellt sich der enorm gewachsene Baustoffmarkt und die Erwartungshaltung, dass Meister und Gesellen die Materialschulungen zu jedem Produkt bekommen haben. "Die Hälfte des Tages muss man sich damit beschäftigen, ob die Materialien zusammenpassen und alles fachgerecht verarbeitet wurde", sagt Ralf Ritter. Als Fachbetrieb Dämmtechnik führt er zudem für andere Firmen die Einblasdämmung an Gebäuden aus. "Auf uns wartet an jeder Baustelle eine andere Herausforderung", sagt Nico Ritter, der damit die oft mangelhafte Vorbereitung für diese Arbeit anspricht.
Vater und Sohn sind dennoch weiterhin bereit, auch diese Herausforderungen anzunehmen, wünschten sich aber mehr Rechtssicherheit für den Handwerker. "Sie hätten das gar nicht ausführen dürfen", sagen die Richter, wenn es zum Rechtsstreit und zum Thema Gewährleistung am Bau kommt. "Wir sind keine Juristen und brauchen auch mehr Rückendeckung von der Handwerkskammer", fordert Ritter. Auf vielen Gerüsten, die von der Bauberufsgenossenschaft als "ordnungsgemäß" abgenommen wurden, dürfe der Zimmermeister nach der geltenden Rechtsprechung seine Leute erst gar nicht arbeiten lassen. Aber: es gibt Termine, Bauherr und Architekt drängeln, wer hier als Handwerker einen Rückzieher macht, dem wird es am Ende von der Rechnung abgezogen. Bei den knapp kalkulierten Preisen eine Gradwanderung, Ärger ist vorprogrammiert.
Buchhaltung, Zahlungsverkehr und Rechnungswesen, all das erledigt Silke Bremond-Ritter. Die Frisörmeisterin führt einen eigenen Salon und unterstützt den Ehemann in dessen Zimmerei. "Auf sie kann ich mich immer verlassen", sagt Ralf Ritter, der gern auch die Flut der von ihm bearbeiteten Angebote in Rechnung stellen würde, es aber nicht tut, weil es andere auch nicht machen. Das ist nichts Neues, neu hingegen sind die enormen bürokratischen Anforderungen, die in den Vorbemerkungen und AGB’s stehen und zusätzliche unbezahlte Arbeit bedeuten. Die Bautagesberichte in elektronischer Form, die in mehrfacher Ausführung der Bauleitung täglich zugehen müssen, für die Ritters sich spezielle Geräte zugelegt haben, um die Dokumentation und Tagesberichte wie gefordert abzugeben. Dass von der Auftragssumme noch 0,7 Prozent für Strom- und Wasserbenutzung auf der Baustelle abgezogen werden, Rüstzeiten nicht berechnet werden dürfen, der Kran vorzuhalten und in die Einheitspreise einzukalkulieren ist, stehe dort geschrieben. "Einige Kollegen wissen gar nicht, was sie unterschreiben", vermutet Ralf Ritter. Die Architekten berechnen ihren Kunden die Ausführungsplanung, die sie sich vom Zimmermeister kostenlos machen lassen, erzählt Ralf Ritter, der das alles in Rechnung stellen müsste, damit sich die eigenen Aus- und Weiterbildungen irgendwann auszahlen.
Ralf und Nico Ritter stehen täglich "ihren Meister", haben Verantwortung für Gebäude und statisch tragende Teile, die der Meister übernehmen kann. Ihnen sei es unbegreiflich, wie es eine behördlich ausgestellte, unbefristete Ausnahmeregelung für Gesellen geben könne. Sie müssten lediglich nachweisen könnten, dass sie leitende Aufgaben in einem Betrieb übernommen hätten. "Einige haben keine Ahnung von der Statik", sagt er.
Ralf Ritter gründete 1999 seine Firma, seitdem steht er zu seiner Verantwortung. Für die Konstruktion der Dachlandschaft, die auf seinem Bildschirm existiert, investierte er etwa 60 Stunden, hat unzählige Maße und immer wieder Änderungswünsche des Kunden aufgenommen und eingearbeitet. Vor Weihnachten werden 45 Festmeter Holz zu einem Dach verzimmert und gerichtet. Aber die Ritters können alles drehen und wenden wie sie wollen, es geht ein Jahr zu ende, in dem viel gearbeitet, aber wenig verdient worden ist.
Profil:
- Zimmerei Holzbau Ritter
- Zimmermeister Ralf Ritter
- Jahrgang 1966
- Geburtsort: Lich
- Betrieb: Gründung vor 1999
- Gewerke: Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten, energetische Sanierung, Bauen im Bestand