Aus der Initiative wird jetzt die Offensive für den Holzbau
Digitalisierung. Für die einen selbstverständlich, ist es für die anderen eher Fluch als Segen. Dennoch muss sich die Digitalisierung auch in der Holzbaubranche schneller verbreiten, müssen Schnittstellen genutzt oder gefunden werden. Denn darin liegen Chancen, die der Planet jetzt dringend braucht.
Von Diana Wetzestein
13. September 2023_Stadtallendorf. Beim 5. Fachkongress Holzbau in Hessen plädierten alle Vortragenden dafür, den Weg im Holzbau verstärkt über die Digitalisierung zu gehen. „Es ist wichtig, jetzt alle Akteure der Wertschöpfungskette Holz an einen Tisch zu bekommen und aus der Holzbauinitiative eine echte Offensive zu machen“, sagte Gertrudis Peters, Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen (AKH). Gemeinsam mit Alexander Hohbein, Geschäftsführer der Clusterinitiative pro holzbau hessen (phh), hat die AKH diesen Fachkongress organisiert.
Holger Zimmer, Vizepräsident AKH und leidenschaftlicher Holzbauarchitekt, lobte die Fortschritte im Holzbau, die digitale Sanierung und digitales Bauen. „Ich würde mir wünschen, dass Architekten und Holzbaubetriebe in Hessen, noch besser digital zusammenarbeiten“, so Zimmer.
Auch Prof. Dr.-Ing. Achim Vogelsberg, Vorstandsvorsitzender phh, stellte sich hinter das Thema Digitalisierung. Es war der rote Faden, der sich durch alle sechs Vorträge des Fachkongresses zog und sie miteinander verband. Den Holzbau dadurch noch effektiver zu machen, sehe auch er als absolut notwendig an, so Vogelsberg. Mitte September konnte er knapp 200 Teilnehmende in der Stadthalle Stadtallendorf begrüßen, zudem waren namhafte Aussteller der Branche vor Ort. Die „Vorträge im Zeichen der Zeit“, wie es Prof. Vogelsberg sagte, setzten die Nachhaltigkeitsaspekte des Holzbaus als bekannt voraus. Die aktuellen digitalen Möglichkeiten, Standards und Ausblicke, bis ins Jahr 2123, ließen die Zuhörenden dennoch staunen.
Gertrudis Peters nannte das Format Fachkongress Holzbau ein phantastisches Kaleidoskop an Möglichkeiten. „An aktuellen Bauaufgaben, Planungs- und Fertigungsprozessen haben wir heute gezeigt, welche Chancen und gleichzeitig Herausforderungen sich für die Partner:innen der Wertschöpfungskette Holz ergeben. Durch eine Förderung des Holzbaus kann ein positiver Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Und unter Ausnutzung digitaler Planungs- und Fertigungsprozesse kann die regionale Wertschöpfung in vielfältiger Weise gefördert werden“, so Peters.
„Der eigentliche Hebel, um die Klimaziele zu erreichen, liegt im Bauwesen“, sagte Prof. Dr.-Ing. Alexander Stahr von der HTWK Leipzig. In seinem Vortrag über den Digitalen Holzbau stellte er nicht nur die Scannerbrille am Fertigungstisch, sondern auch neun Thesen vor, in denen er die Digitalisierung als wertvolle Impulslieferantin nannte. Es müssten neue Wege in der Zusammenarbeit der Wertschöpfungskette gefunden und neue Lösungen entwickelt werden. „Wir sollten uns genau überlegen, welches Know-how in Daten codiert werden kann, wir müssen komplex wahrgenommene Sachverhalte sichtbar machen und kommen nicht umhin, unsere Konzepte deutlich intensiver öffentlich zu kommunizieren“, so Stahr. Sein Appell: „Jegliche Innovation im Holzbau sollte Open Source lizensiert werden. Wenn der Holzbau mit den schnell wachsenden Anforderungen der Gesellschaft Schritt halten soll, dann müssen wir die Dinge in die Breite bringen“, so Stahr.
Im Vortrag „BIM und ESG – die Rolle von digitalen Gebäudemodellen im Nachhaltigkeitsreporting“, zündete Moritz Hofmann von ModularOne GmbH aus Gießen ein kleines Feuerwerk für digitale Formate am Bau. Der bekennende Fan von modularem, seriellen Bauen, entwickelt digitalisierte Gebäudemodelle, setzt Handscanner ein, erhebt alle notwendigen Daten, die dann standardisiert übertragen werden können. BIM in kleine Betriebe zu integrieren und damit die Möglichkeit zu eröffnen, Gebäude besser zu machen, sei aber immer noch eine Herausforderung, so Hofmann. Er warnte davor, dass die Immobilienwerte für Gebäude, die nicht zertifiziert seien, abnehmen könnten. Darum sollten Bestandsgebäude durch standardisierte Datenmodelle erhoben, alle Unterlagen digitalisiert und miteinander verknüpft werden. Was für die Nachhaltigkeitszertifizierung wichtig sei, könne ModularOne heute schon anbieten. Mit den Daten können auch KI-Visionen zum Greifen nah werden und aufzeigen, was in 100 Jahren möglich sein könnte.
Prof. Verena Brehm, CITYFÖRSTER, Hannover, machte einen interessanten Blick über den Tellerrand möglich. Im Vortrag über das Recyclinghaus Kronsberg, stellte sie ein Gebäude vor, dessen Baumaterialien zu 100 Prozent dokumentiert und zu über 90 Prozent aus recycelten Materialien besteht. In Hinblick auf die CO2-Uhr, die seit 2018 tickt und von 400 Gigatonnen auf jetzt 200 abgenommen habe, forderte sie: „Wir müssen schneller werden! Um die 1,5 Grad-Grenze noch einzuhalten, müssen wir alles tun, was dazu beitragen kann“, so Prof. Brehm. Ein Haus aus Baustoffen zu bauen, die bereits hergestellt wurden, sei eine, wenn auch noch sehr teure Möglichkeit. Im Recyclinghaus wurden von 2015 bis 2019 alte Fenster, Türen und Dachpfannen, Gehwegplatten als Estrichersatz, Treppenstufen aus alten Aluschienen, Stahlteile als Türzargen oder Saunabänke als Fassadenverkleidung eingebaut. „Uns hätte es die Arbeit erleichtert, wenn wir mehr sortenrein getrennte Materialien gefunden hätten“, so Prof. Brehm. Fündig geworden sei man bei Bauteilbörsen, abbruchreifen Bestandgebäuden oder dem Messebauern. „Architekten müssen vom Ende her denken, die Baustoffernte muss organisiert sein und alles eine Zeit lang gelagert werden können“, sagte sie. Damit der Bauprozess zum Kreislauf werden kann, müssten Architekten jetzt für die Kreislaufwirtschaft planen.
Auch Dipl.-Ing. Arch Elise Pischetsrieder, weberbrunner aus Berlin, plädierte dafür: „Planen Sie klimagerecht und kreislauffähig. Die Steigerung der Gesamteffizienz über den Lebenszyklus, die Dekarbonisierung aller Prozesse am Bau, fließen am Ende in die Ökobilanz eines Bauvorhabens ein“, sagte sie in ihrem Vortrag „LCA-Strategien für klimagerechtes Planen und Bauen – Fokus Holzbau“, wo Nachhaltigkeitsaspekte natürlicherweise berücksichtigt würden. Das Bauen mit Holz brauche dennoch eine genaue Bauteilbetrachtung. „Die Ökobilanzierung werden wir in Zukunft planungsbegleitend alle gemeinsam betrachten. Von der Bestellung eines Projekts, über den Planungsverlauf, bis zu Realisierung. Wir wollen wissen, welchen CO2-Fußabdruck wir hinterlassen, wieviel Energie wir verwendet haben und wie hoch die Wiederverwendbarkeit des Bauvorhabens ist. Die Gebäude sollen Materialdepots sein und nicht Müll produzieren“, so Pischetsrieder. Die Ökobilanzierung wirkt wie eine gute Kostenplanung: Am Anfang des Planungsprozesses könne am meisten getan werden, um am Ende hohe Summen zu vermeiden.
Im Einklang mit der Natur und den Menschen planen und bauen. Am Beispiel des Aussichtsturms Hardwald, in der Schweiz, stellten Nadja und Lukas Frei, Luna Productions aus Deitingen (CH), das 41 Meter hohe Raumwunder aus Holz vor. Ein Aussichtsturm als Paradebeispiel für einen ressourcenschonenden Holzbau und eine Landmarke, die bereits im Entstehungsprozess eine hohe Identifikation der Bevölkerung auslöste und heute eine touristische Attraktion darstellt. „Das dafür verwendete Holz stammte aus einem Radius von 20 Kilometer. Lärche, Kiefer, Esche, Douglasie, Akazie und Eiche wurden unbehandelt verbaut und in einem Konzept Attraktion, Naherholung, Vegetation und einem besonderen Turm-Erlebnis wieder in den Wald zurückgebracht“, so Lukas Frei. Die Form einzigartig, konstruiert aus gleichseitigen Dreiecken, zwei Dreiecke jeweils zu Rauten zusammengefügt. Übereinander und jeweils gedreht zueinander, sind vier Plattformen entstanden. Ein Baukörper, dessen Silhouette sich je nach Betrachtungsstandort in einer anderen Figur zeigt. „Der Turm scheint vor seinem Betrachter zu tanzen“, sagen die Architekten. Zudem stellt die halboffene Schalung der Hülle die Waldluft hindurchfließen. Der Turm aus Holz, sei ein Spiel aus Licht und Schatten, der diesen Standort besonders und den Wald als Holzlieferant in den Fokus rückt.
„REWE Green Farming – Chancen des Holzbaus für das zirkuläre Bauen“, titelte der Vortrag von Prof. Thorsten Helbig, knippershelbig GmbH aus Berlin. Denn REWE habe einen neuen Standard für den Bau nachhaltiger Supermärkte geschaffen.
REWE entwickelt alle zehn Jahre neue Projekte. In Wiesbaden steht das Marktkonzept der Zukunft, ein hybrides Tragwerkskonzept mit über 5.700 Quadratmetern Bruttogrundfläche. Die Holzstruktur reicht über die Fassade hinaus und schafft einen geschützten Außenbereich. Abweichend von den bisherigen, stützenfrei gestalteten Marktflächen, liegt das Dach auf einer Reihe von Stützen auf. Es erinnert ein wenig an einen asiatischen Holzbau, schafft ein besonderes Einkaufserlebnis. „Bundesweit hat diese Lebensmittelversorger mehr als 3.700 Märkte, seit 2015 gibt es 98 Green Building Projekte, von denen 33 Objekte bereits fertiggestellt sind“, so Prof. Helbig. REWE habe den Holzbau ins Marktkonzept aufgenommen und damit die etablierten Konzepte für den Bau und den Betrieb solcher Märkte hinterfragt und erneuert.
Am Ende der Veranstaltung lobte Gertrudis Peters einmal mehr die Zusammenarbeit zwischen der AKH und phh. Diese habe sich bewährt, der Mehrwert einer Holzbauoffensive für Hessen konnte gemeinsam im politischen Raum als Teil des Klimaplans verankert werden. „Der Klimaplan sieht nun eine angemessene Steigerung der Holzbauquoten im Wohnungs- und Nichtwohnungsbau vor. Als Produzierende, Ausführende, Planende und Lehrende haben wir nun die Chance, die Holzbauoffensive mit Verve und Innovationsfreude umzusetzen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!“, forderte Peters alle „Gewerke“ zum Schluss noch einmal auf.
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