70. Verbandstag Hessischer Zimmermeister setzt Zeichen
von Diana Wetzestein
Stadtallendorf. Ein Kartenhaus aus Holz trotzt Wind und Regen. Vor der Stadthalle empfing Mitte September das über fünf Meter hohe Bauwerk aus Brettsperrholz mehr als 150 Teilnehmer*innen zum 70. Verbandstag Hessischer Zimmermeister und zum 16. Kassler Holzbaukongress zudem wurde zu Beginn traditionell die Obermeistertagung durchgeführt. Die Stadt wirbt mit dem Slogan "aktiv erleben", im Hinblick auf die Pandemie hatte das eine besondere Strahlkraft.
"Dass wir jetzt zukunftsweisende Innovationen präsentieren können und den Mitgliedern die Möglichkeiten auf persönliche Gespräche bieten können, ist der guten Planung und Vorbereitung der Geschäftsstelle in Kassel und der Zimmererinnung Gießen zu verdanken, die ihre Vorarbeit aus 2020 hier haben einfließen lassen, die Marburger Innung danken wir vor allem für ein besonderes Rahmenprogramm", sagte Volker Baumgarten, Vorsitzender von Holzbau Deutschland – Verband Hessischer Zimmermeister.
Gäste und Referenten konnten unter dem Titel "Der Hightechwerkstoff Holz – Wohin geht die Entwicklung?" das zweitägige Programm mit sieben Fachvorträgen und einer Ausstellermesse besuchen. Die Auswahl der Themen war zeitgemäß, die Vorträge über Digitalisierung und den Einsatz neuer Holzbauprodukte sowie deren Anwendung in der Praxis überraschend. 23 Aussteller präsentierten ihre Neuheiten, darunter akkubetriebene Druckluftnagler, mobile Fertigungstische oder der Hanffaser-Dämmkeil für die "Schwachstelle" Fensterbank. Dass es heute bereits möglich ist, die Verladeplanung vorgefertigter Bauteile über das Abbundprogramm zu steuern, zeigt, wie die Digitalisierung im Holzbau für den Holzbau weiter vorangetrieben wird.
Die Nachfrage nach Holz und neuen Holzprodukten ist ungebrochen hoch. Die Auswirkungen der Klimakrise sorgen dafür, dass die Frage nach der Rohstoffsicherheit zunimmt. In seinem Ausblick auf die Holztechnologie und Holzwerkstoffe gab Dr. Markus Euring, Georg-August-Universität Göttingen an, dass es durch Kalamitätenholz und Buchendürreschäden in der Holzindustrie Veränderungen geben werde. Leichtbaukonzepte im Holzbau für eine bessere Ressourceneffizienz würden bereits entwickelt.
Prof. Dr. Christopher Robeller stellte so eine Leichtbauweise vor. Mit seinem Vortrag über Dachtragwerke, die ohne Metallverbindungen - in modularer Holzleichtbauweise erstellt und mit Zapfenverbindungen aus BauBuche versehen - Hallendächer realisieren lassen. "Das Zimmererhandwerk ist schon seit über 20 Jahren in der Lage, komplexe Aufgaben digital zu lösen", sagte Prof. Robeller, der für die stärkere Zusammenarbeit zwischen Zimmererhandwerk und Forschung warb.
Keine Holzbau-Innovation scheint heute ohne die BauBuche der Firma Pollmeier GmbH auszukommen. Jan Hassan, Pressesprecher des Thüringer Unternehmens, stellte in seinem Vortrag über den Hochleistungswerkstoff aus Buchenholz heraus, dass aufgrund hoher Festigkeitswerte bei vergleichsweise geringen Querschnitten die Materialeinsparung von 30 bis 60 Prozent im Vergleich zu handelsüblichem Brettschichtholz aus Nadelholz möglich sein.
Materialeinsparung, das geht auch in der Verbindungstechnik. "Als Hersteller von Klammern und magazinierten Nägeln verarbeiten wir monatlich bis zu 4.000 Tonnen Stahl", sagte Stefan Siemers von der Raimund Beck KG aus Mauerkirchen in Österreich. Seit 2014 laufe dort die Forschung und Entwicklung von nachhaltigen Befestigungsmitteln aus Holz. Zusammen mit der Uni Hamburg habe man das "Panzerholz" gefunden, ein Buchenholzwerkstoff, der höchstmögliche Festigkeit und Verfügbarkeit gewährleiste.
Bei dem Produkt handelt es sich um aus Panzerholz gefertigte Nägel, die sich beim Einschießen zusätzlich mit den Werkstoffschichten verkleben. Das Produkt ist unter dem Namen LIGNOLOG auf dem Markt. Damit lassen sich beispielsweise Massivholzwände aus gekreuzten Brettlagen untereinander klebstofffrei verbinden. Die mit deutscher bauaufsichtlichen Zulassung versehenen Holznägel sind in verschiedenen Längen verfügbar und können mit einer eigens dafür entwickelten Nagelpistole eingeschossen werden.
Beleuchtet wurden nicht nur Material und Einsatz, sondern auch Strukturen der Handwerkbetriebe in Stadt und auf dem Land, der Trend zu Holz-Beton-Verbundsystemen, Genossenschaften, Altersvorsorgen über die SOKA-BAU und Ausbildungsmöglichkeiten in Teilzeitmodellen. In den Planungsprozess des Holzbaukongresses eingebunden war der Geschäftsführer von pro holzbau hessen – Holzbau Cluster e. V., Alexander Hohbein. Er betonte, "dass durch die verschiedenen Themen für die Zimmerer in Stadtallendorf wichtige Impulse gegeben werden konnten." Ralf Böttger, Geschäftsführer von Holzbau Deutschland-Verband Hessischer Zimmermeister, sprach von einer "insgesamt sehr guten Stimmung", auch, weil ein direkter und persönlicher Austausch zwischen den Akteuren im Holzbau möglich gewesen sei. "Die Auseinandersetzung mit ressourcenschonenden Technologien und Holz-Holz-Verbindungen fanden vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion starken Anklang", so Böttger, dem es gelungen war, viele junge Holzbauunternehmer*innen zur Teilnahme an dieser Veranstaltung zu motivieren
Seit 70 Jahren ist der Zunftabend ein fester Bestandteil des Verbandstages. Denn bei aller Information und Innovation, es sollte auch gefeiert werden. Auf Abstand, mit Musik und Tanzgruppen aus Emsdorf und Kirchhain und knapp 130 Gästen. Sie alle genossen das festliche Programm auf Abstand, belohnten die Tänzerinnen und den "Showpiloten" Daniel Golla mit viel Applaus. Er manövrierte ein Modellflugzeug kunstvoll per Fernsteuerung über den Köpfen der Zuschauenden.
Und das Kartenhaus aus Holz? Es hatte am Samstagnachmittag an dieser Stelle seinen Zweck erfüllt, wurde abgebaut, eingelagert und kann bei einer der nächsten Holzbautagungen seiner Botschaft, dass den hessischen Holzbau so leicht nichts umwirft, Ausdruck verleihen.