HOLZ.BAU.ARCHITEKTUR
Wanderausstellung über aktuellen Stand der Technik, das Potenzial, die universelle Einsetzbarkeit und die Weiterentwicklung des Holzbaus endete im KazimKuba e. V. in Kassel
von Diana Wetzestein
Kassel. Wer ausgeführte Holzbauten mit einer Standartbauweise vergleicht, kann eine Reduzierung von bis zu 75 Prozent bei den Treibhauspotenzialen feststellen. Sabine Djahanschah, Architektin und Leiterin Architektur und Bauwesen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, verwies in diesem Zusammenhang auf die Auswertungen unter Zuhilfenahme des Programms LEGEP, mit dem diese Zahl erhoben werden konnte
Ihr Vortrag, der Mitte Mai im Kulturbahnhof Kassel die Finissage der Wanderausstellung HOLZ.BAU.ARCHITEKTUR eröffnete, gab am Ende einer Ausstellungsreise noch einmal einen detaillierten Einblick ins Innere von Gebäuden, die das Entwerfen, Konstruieren und Bauen mit Holz in besonderer, in ausgezeichneter Form repräsentieren und deren Publikation von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt Osnabrück fachlich und finanziell gefördert wird.
Neben den Besonderheiten der Gebäude, die in den vergangenen beiden Jahren entstanden sind, ging Djahanschah auf aktuelle Themen wie Rohstoffknappheit, Klimawandel, Energiethemen sowie das Artensterben ein und stellte die Frage, ob die Transformationsgeschwindigkeit ausreiche, um den Herausforderungen dieser Zeit gerecht zu werden. "Das Bauwesen in Deutschland gehört zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftszweigen. 550 Millionen Tonnen mineralischen Rohstoffe werden dort im Jahr verbraucht, 100 Milliarden Tonnen haben wir in den Gebäuden bereits verbaut. Wir produzieren hier 54 Prozent des gesamten Abfallvolumens", so Djahanschah, die auf die Verantwortung der Bauindustrie und der Planer:innen hinwies.
Bei der Vorstellung einiger Gebäude der Ausstellung, die allesamt mit dem Holzbaupreis 2021 ausgezeichnet wurden, weil sie spannende Denkanstöße bieten, nachhaltiges und klimaneutrales Bauen vorantreiben. Die Architektin Djahanschah stellte klar heraus, dass der Holzbau nicht nur bis zu 75 Prozent weniger Treibhausemissionen gegenüber den Massivbauten verursache, sondern zudem mit hoher Vorfertigungsrate, weniger Abfall und kürzeren Bauzeiten weitere Aspekte erfülle, die im Gesamtkontext von großer Bedeutung sind.
Oliver Berger, Bund Deutscher Architektinnen und Architekten – Regionalgruppe Kassel, begrüßte die Referenten und etwa 40 Gäste im KazimKuba e. V. auch im Namen von pro holzbau hessen und betonte, die Motivation sei, den Holzbau stärker in den Focus zu rücken. Mit den Kassler Kollegen wollen wir uns zukünftig mehr um die Gebäudeklassen vier und fünf sowie die Sonderbauten kümmern. Die Wanderausstellung solle der Startschuss für eine Veranstaltungsreihe in Kassel zum Thema Holzbau sein, in die auch kommunale Politik und alle, die mit Holzbau zu tun haben, eingebunden werden sollen.
Am Beispiel "Hotel Bergamo in Ludwigsburg", einem Neubau in Holz-Modulbauweise, erläuterte Dipl.-Ing. Daniel Seiberts, VON M aus Stuttgart, wie sich ein Holz-Neubau in das moderne Ludwigsburg einfügen kann. Und zwar an einer Stelle, die von der Moderne schon einmal von der Einfahrt in die Tiefgarage unter dem Marstallcenter überrollt worden war. "2012 wurde der Zubringer bei einer Sanierung zurückgebaut, ein Grundstück wurde frei. Dort stand bis in die 1940er Jahre eine historische Bausubstanz, die in diesen Teil Ludwigsburgs in die Nähe des Schlosses passte", so Seiberts.
Vor dem Neubau stand darum erst einmal ein Architekturwettbewerb, an dem 2014 auch VON M teilnahmen und die Vorgaben zur Gebäudekubatur, CO2-Minimirung bei der Errichtung durch größtmögliche Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen so gut umsetzten, dass VON M diesen Wettbewerb gewannen.
"Der Neubau des Hotels überzeugt durch seine prägnante Fassadengestaltung und sein äußerst
nachhaltiges Konstruktionsprinzip in Holzmodulbauweise", lobte es die Jury. Ein markantes Hotel von hoher Identität sei geschaffen worden. Die Modulbauweise ermöglichte eine schnelle Bauzeit, die im Inneren eine warme Atmosphäre und an der Fassade ein überraschendes Kleid aus Faserzement-Schindeln aufweisen. Genau dieses Zusammenspiel von außen und innen ist es, was das Hotel so außergewöhnlich mache.
Seiberts nahm die Gäste der Finissage mit ins Hotel, zeigte ganze Räume aus Holz, lasiert und geschliffen, selbst entworfene Möbel, Nischen und erstaunlich Kontraste, die aus dem Zusammenspiel von Baustoff, Licht und architektonischem Einfühlungsvermögen entstanden sind. Sein Hinweis auf "die Musterholzbaurichtlinie, die vorschreibt, dass entweder die Decke oder maximal 25 Prozent aller Wände mit brennbaren Bauteiloberflächen zulässig sind, könnte nach Verabschiedung dieser MHRL das schöne Hotel Bergamo in Ludwigsburg bald nur noch als Museum und nicht mehr als Beispiel ökologischer Nachverdichtung und Touristenmagnet dastehen lassen", so Seibert. Darum ist seine Forderung, die Musterholzbaurichtlinie nach aktuellen Erkenntnissen für Brandschutz auch aus der Schweiz oder Österreich zu verfassen, ein wichtiges Signal für den deutschen Holzbau. Denn diese Forderung, würde sie berücksichtig, wirkt sich insbesondere im Hinblick auf die städtische Nachverdichtung aus und würde das nachhaltigere, klima- und ressourcenschonendere Bauen erheblich erleichtern.
Ausstellung Deutscher Holzbaupreis 2021 mit Vernissage am Freitag, 29. April, 19 Uhr
Die Wanderausstellung „HOLZ.BAU.ARCHITEKTUR“ zeigt den aktuellen Stand der Technik, das Potenzial und die universelle Einsetzbarkeit des Holzbaus.
Demografischer Wandel, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Energiewende – das sind die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Wie wir diese Herausforderungen meistern werden, wird entscheidend für unsere künftige Lebensweise und Lebensqualität sein. So ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Menschen fordern, dass wir bewusster und verantwortlicher mit unserer Umwelt umgehen. Diese Forderungen wirken sich auch auf das Bauwesen aus. Insbesondere im Hinblick auf die städtische Nachverdichtung werden nachhaltigere, klima- und ressourcenschonendere Bauweisen zur Gestaltung der Quartiere gefordert.
Organisation der Veranstaltung durch den BDA Kassel,KazimKuba e.V. und Unterstützung von pro holzbau hessen.
Vernissage Freitag, 29. April 2022 um 19 Uhr
Eröffnungsrede Juryvorsitzender Dipl.-Ing. Andreas Krawczyk, NKBAK Architekten und Sauerbruch Hutton (Preisträger)
Finissage Dienstag, 17. Mai 2022 um 19 Uhr mit Vortrag von Sabine Djahanschah (DBU – Deutsche Bundesstiftung Umwelt) und VON M (Preisträger)
Blockveranstaltung (kostenpflichtig) Donnerstag, 5. Mai 2022, 14-17 Uhr mit Vorträgen zu Konstruktion, Bauphysik und Brandschutz. Nähere Details s.u.
Ausstellung 29. April bis 17. Mai 2022, Mi-Fr 17-20 Uhr, Sa+So 16-19 Uhr
Ort KAZimKUBA, Rainer-Dierichs-Platz 1, Kassel
Blockveranstaltung "Bauphysik und Holzbau" im Rahmen der Ausstellung Deutscher Holzbaupreis am Donnerstag, 5. Mai 2022 von 14-17 Uhr
14 Uhr - Thema Konstruktion: Hoch hinaus mit Holz
Referent: Prof. Dr.-Ing. Werner Seim, Fachgebiet Bauwerkserhaltung und Holzbau, Uni Kassel
15 Uhr - Thema Bauphysik
Referent: Dipl.-Ing. Thomas Wilken, energydesign braunschweig GmbH, Ingenieurgesellschaft für energieeffiziente Gebäude
Kaffeepause
16.30 Uhr - Thema Brandschutz im Holzbau
Referent: Prof. Dr.-Ing. Dirk Kruse, Geschäftsführer Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH & Co. KG, Gifhorn
3 Fortbildungspunkte AKH
Linktipp: http://www.kazimkuba.de/