Der 73. Verbandstag Hessischer Zimmermeister – Effizienz, Suffizienz und erstaunliche Innovationen aus Holz
von Diana Wetzestein
Korbach. Die Bibliothek für Bauteile; Ressourceneffizienz; Institutsarbeiten; Serielle Sanierung mit Holz oder ein Holzbausystem, das Erstaunliches leisten kann. Alles Neuigkeiten aus dem Holzbau. Mitte April, beim 73. Verbandstag Holzbau Deutschland - Verband Hessischer Zimmermeister e. V., wurde eine ausgewählte Themenpalette angeboten.
Wo steht der Holzbau und wohin soll die Holzbau-Reise gehen? Alexander Hohbein, Geschäftsführer Holzbau Deutschland – Verband Hessischer Zimmermeister e. V., hat dazu eine klare Antwort: „Wir haben schon viel erreicht, müssen aber jetzt dranbleiben. Es ist der 73. Verbandstag, den wir mit dem 19. Kassler Holzbaukongress gemeinsam veranstalten. Das spricht für eine Tradition, die erhalten bleiben sollte und mit den Themen der Zeit weitergeführt wird“, so Hohbein.
Obermeister Harald Ludwig, von der gastgebenden Zimmerer-Innung Waldeck-Frankenberg, moderierte den Holzbaukongress am Samstag in der Stadthalle Korbach, „leider mit merklich weniger Teilnehmenden als im vergangenen Jahr“, wie er sagte. Der Zimmerer-Innung Hersfeld-Rotenburg, die den 74. Verbandstag ausrichten wird, wünschte er mehr Zulauf. Wie immer begann der Freitag mit der Obermeistertagung. Darauf folgte der Vortrag von Dipl.-Ing. Maren Kohaus, sustainable architecture aus München, über „dataholz.eu“, dem sich Ingo Kempa, Implenia Holzbau Engineering aus Hamburg, mit der Ressourceneffizienz im Holzbau anschloss. Die Fachberatung Holzbau, ein Marktbeobachtungswerkzeug vom Informationsdienst Holz, stellte Dipl.-Ing. Jörg Bühler, Holzbau Deutschland Institut aus Berlin vor. Mit dem Zunftabend in der Zehntscheune im Hotel Brunnenhaus - Schloss Landau fand er einen stilvollen Abschluss.
Am Samstag ging es mit einer gewaltigen Vorhersage weiter. „15 Millionen Gebäude müssen in den kommenden 15 Jahren energetisch saniert werden. Schätzungsweise vier Millionen können wir mit den heutigen Möglichkeiten seriell sanieren“, sagte Kian Giahi, Berater für nachhaltige Immobilien und Mitglied im Team Energiesprong DE. Er referierte über die serielle Sanierung nach dem Energiesprong-Prinzip. Möglich sei das, weil in den 1950er bis 1970er Jahren seriell gebaut worden sei. „Immer gleiche Fassaden oder Dachtypen, immer der gleiche Aufbau, nur die Abmessungen sind verschieden“, so Giahi. „Die Zimmereien können davon profitieren, weil es in der Regel Holzrahmenbau ist, der auch bei Ein- und Zweifamilienhäusern in der Fassade eingesetzt wird“, sagte er. Ohne die Zimmerei-Betriebe sei das nicht zu schaffen. Sie würden vor allem in der Fläche gebraucht.
Die serielle energetische Sanierung dürfe nicht allein die Aufgabe von Industrie und Fabriken sein, auch auf dem Land müsse produziert und angeboten werden. Die Zimmereien seien ganz nah dran am Kunden und auch am Einfamilienhaus. „Wie viele Betriebe die serielle Sanierung bereits anbieten, wissen wir nicht. Aber auch kleinere Zimmereien profitieren bereits davon“, sagte der Wirtschaftsingenieur, der davon überzeugt ist, dass die Aufgabe, auf viele Schultern verteilt, auch zu schultern sei.
„Holz rettet Klima“, für die Kampagne des Deutschen Holzwirtschaftsrates e. V. stand der Kampagnenrepräsentant Lars Schmidt am Samstag auf der Bühne. Der „leidenschaftliche Holz-Botschafter“ sprach von einem mächtigen Schub, den „Holz rettet Klima“ auch aufgrund der Werbung durch den Skispringer Andreas Wellinger während der letzten Vier-Schanzen-Tournee erhalten habe. „Unser Ziel ist es, möglichst viele der 70.000 Unternehmen der Holzbranche und deren 680.000 Mitarbeitenden zum Mitmachen und als Multiplikatoren zu gewinnen“, so Schmidt. Die Zimmerer und Tischler stellten einen Großteil dieser Unternehmen dar und seien ganz nah dran am Kunden. Die Zusammenarbeit mit den Verbänden und die Teilnahme am Verbandstag in Korbach, für ihn umso wichtiger. „Wir brauchen viele Unterstützter, Sponsoren, aber auch Ausdauer, damit wir unser Thema gut präsentieren, einfach über die Appstores die Holznews runterladen und mitmachen“, so Schmidt, der dazu einlud, nicht nur das Logo und weitere Werbemittel der Kampagne zu nutzen, sondern auch den Social-Media-Kanälen zu folgen.
Immer mehr IT im Holzbau. Henning Fisbeck, Betriebsleiter der Zimmerei Jasky aus Stadtallendorf, zeigte einen interessanten Videoclip über den Einsatz der AR-Brille im Zimmereibetrieb. AR, das steht für Augmented Reality, einer Technik, mit der Bauteile, Maße und Angaben aus dem Bauplan in Originalgröße in der Arbeitsumgebung angezeigt werden. Das System wurde an der HTWK Leipzig von der Forschungsgruppe FLEX unter Leitung von Prof. Alexander Stahr entwickelt und in Hessen das erste Mal auf dem Fachkongress Holzbau, organisiert von pro holzbau hessen, in Stadtallendorf vorgestellt. Was im Filmbeitrag wie eine fiktionale Animation aussah, wird in einigen Zimmereien bereits ganz real eingesetzt. Zeichnungen aus Papier waren gestern, „die dreidimensionale Projektion, für einen mittelständischen Betrieb wie wir es auch sind, ist das wirklich gut geeignet“, sagte er und kündigte eine Vorführung dieser Technik in der Zimmerei Jasky in Stadtallendorf für den 1. Juni um 10.30 Uhr an.
Holzbauten so lange wie möglich zu erhalten und zu nutzen, ist ein Thema, zu dem Denkmalpfleger Dr. Malte Nettekoven etwas sagen wollte. Die Grundlagen in der Denkmalpflege, aus Sicht des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, lockte viele Gäste in die Stadthalle. Der Referent sagte seine Teilnahme leider kurzfristig am Veranstaltungstag ab, was bei den Anwesenden für großen Unmut und Bedauern sorgte.
Seit Jahrhunderten bauen Zimmerleute Gebäude aus Holz. Sie wählen die optimalen Hölzer für Dächer, Wände, Fundamente, für Treppen, Türen oder Fenster und sind in der Lage, Holz für Holz so zusammenzufügen, dass keine Klammern, Nägel oder Schrauben verwendet werden müssen. Die Voraussetzung für eine sortenreine Trennbarkeit, die immer mehr in den Fokus der Planungen rückt, kann der moderne Holzbau durch die Innovationen wie die der TRIQBRIQ AG aus Tübingen auch heute noch erfüllen. Und ganz neue Märkte erobern. Lewin Fricke, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei TRIQBRIQ, stellte die mikromodularen Holzbausteine vor. Sie werden aus Kalamitätenholz oder Hölzern rückgebauter Gebäude voll automatisch hergestellt. Damit wurden europaweit bereits mehrgeschossige Gebäude gebaut, „aktuell ein 1.100 Quadratmeter großer EDEKA-Markt in Braunschweig-Lamme mit TRIQBRIQ. Unser System ermöglicht eine kurze Bauzeit, es gibt keine künstlichen Verbindungsmittel, das Gebäude ist rückbaufähig und spart viel CO2 ein“, sagte Fricke, der per Videoübertragen aus Berlin in die Stadthalle übertragen wurde. Die mobile vollautomatische Produktionsanlage könne die Holz-BRIQs auch vor Ort produzieren und so aus Dachsparren, die bislang nicht wieder in den Bauprozess eingebunden würden, Wände für den neuen Lebensmittelmarkt werden. Diese Art der Verwertung und Verarbeitung spare Energie und Material, und weise damit einen hohen Suffizienz-Grad auf. Zimmererbetriebe, die mit einem einfachen und kreislauffähigen Rohbausystem arbeiten möchten, können sich als Partnerbetriebe bei TRIQBRIQ registrieren.
Auch der Architekt M.A. Max Ernst, Gründer und Inhaber von Architekt ME, plädierte dafür, bei Planung und Ausführung von Bauvorhaben auf leicht demontierbare Fügetechniken zu achten. Eine Nachweispflicht für alle im Baustoff erhaltenen Inhaltstoffe sowie das Verbot aller nachweislich schädlichen Inhaltstoffe sollten eingeführt werden. „Ich sehe Gebäudezertifikate durchaus kritisch. Eine CO2-Bilanz ähnlich eines Nachweises nach GEG (früher EnEV) wäre besser geeignet und sollte zur Anwendung kommen“, sagte er. Um die Klimaziele wirklich zu erreichen, müssten die Rahmenbedingungen angepasst werden. „Wir müssen den Bau vom Ende her denken und überlegen, wie wir die meisten Baustoffe wiederverwenden können, dabei helfen uns Ökobaudat und BIM-Software, KI und das Zimmererhandwerk“, so Ernst.
Am Beispiel von KID. Kreativ.Institut.OWL, einem Mehrgeschosser in Detmold und dem Grünen Salon, einer Materialbibliothek an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, machte er klar, dass es möglich ist, den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes zu verringern, wenn die sortenrein trennbaren Holzbaustoffe im Modul D der DIN 15804 als Gutschrift mitberücksichtigt werden.
Die zweitätige Veranstaltung gipfelte in der Übergabe des Wanderpokals der gastgebenden Innung an die Gastgeber im nächsten Jahr. Der 74. Verbandstag und 20. Kasseler Holzbaukongress on tour werden am 19. und 20. September 2025 in der Schildehalle in Bad Hersfeld stattfinden.