von Diana Wetzestein
Kassel/Lautertal-Engelrod. Ohne Handwerker wie ihn wäre dieses Fachwerkhaus wahrscheinlich verloren. Kurt Schmidt weiß was er tun muss, damit der Fachwerkhof aus dem Jahr 1874 nicht nur für die neuen Besitzer, sondern für kommende Generationen erhalten und bewohnbar bleiben kann. Konzentriert und mit routinierter Leichtigkeit schneidet der 62-jährige Schreiner mit der Motorsäge gerade den Zapfen am Riegel aus. Sein junger Kollege schaut ihm dabei über die Schulter, packt mit an. Auch er hat das Schreinerhandwerk erlernt, danach die Weiterbildung zum Techniker abgeschlossen. Sein Arbeitsplatz ist eigentlich am Bildschirm. "Baustelle ist anders als Büro", sagt Kurt, während sie an diesem Regentag gemeinsam eine Außenwand wiederaufbauen.
Im März dieses Jahres haben Svenja und Oliver Bernert den Hof gekauft. Die Bauarbeiten im Fachwerkhaus laufen seit Mitte Mai, Hartmann Holzbau GmbH & Co. KG aus Lauterbach-Wallenrod wurde damit beauftragt. Und das nicht nur, weil die Architektin Bernert selbst in dem Holzbauunternehmen tätig ist. Gemeinsam mit ihrem Mann, einem HLS-Techniker, haben sie das entschieden. Ein Neubau sei für sie nicht in Frage gekommen.
"Wir arbeiten uns von Wand zu Wand vor, erhalten so viel Substanz, wie möglich", sagt Svenja Bernert, während sie durch das zweistöckige Gebäude geht. Die niedrigen Deckenhöhen stören sie nicht. In der ersten Etage muss sie schon an einigen Stellen den Kopf einziehen, wichtiger als hohe Räume sind ihr aber Lehmwickel und Lehmsteine oder die Eichenhölzer, die bereits in anderen Gebäuden eingebaut gewesen sein mögen. "Leider haben wir im Dach eine Konstruktion aus den späten 1970er Jahren, vom historischen Dachstuhl ist nichts mehr zu sehen. Wir werden also nur die Dacheindeckung erneuern", sagt sie. Aber die Buchenverschindelung an der Außenwand ist noch vorhanden, soll nur ergänzt werden. Auf einem Foto aus der Mitte des 20. Jahrhunderts sind Verschindelung und Sprossenfenster zu sehen, "wir lassen die Fenster so nachbauen", sagt sie.
Der Onkel ihres Großvaters habe diesen Hof mit Wohnhaus, Stall und Scheune gebaut. Ein Stück Familiengeschichte, das sie erhalten und jetzt weiterschreiben wollen. Ein Kapitel wird sicher Kurt gewidmet. Seit 48 Jahren arbeitet er im Holzbau, fast 20 Jahre gehört er zum Hartmann Holzbau-Team, in knapp zwei Jahren will er in den verdienten Ruhestand gehen. Die Aufträge für Arbeiten an denkmalgeschützten Gebäuden bei Hartmann Holzbau könnten damit Geschichte sein, wenn nicht Dirk Hartmann, Zimmermeister und Geschäftsführer, den Bereich Fachwerkrestaurierung mit seinen Kenntnissen und Know-how übernehmen könnte. "Für mich bedeutet das, einen neuen Restaurator sowohl schulisch als auch praktisch auszubilden und anzulernen. Denn die fachgerechte Sanierung der Fachwerkgebäude im Vogelsberg und der Umgebung müssen wir auch ohne Kurt weiter anbieten, nur so können sie erhalten werden", sagt Dirk Hartmann.
Natürlich wird Kurt sein Know-how über historische Verblattungen, Zapfen oder das französische Schloss noch weitergeben, eine fundierte Weiterbildung zum geprüften Restaurator im Zimmererhandwerk kann dies aber nicht ersetzten. Die aktuellen Anforderungen, 3D-Visualisierung oder die umfangreiche Dokumentation mit modernster Technik, für Kurt gehört das in die Hände der Jüngeren.
Vor über zwei Jahrzehnten kostete die Weiterbildung 1.300 DM, für Kurt seinerzeit finanziell nicht möglich. Aber auch ohne den Titel "Geprüfter Restaurator im Handwerk" hat er verzierte Gesimse, Bereiche, die richtig knifflig waren, bekommen und die Arbeiten fachgerecht ausgeführt. Das habe ihm richtig Spaß gemacht, viele Baustellen habe er noch vor Augen, in Fulda an fast allen Kirchen und am Dom gearbeitet. Er erinnert sich gerne an Arbeiten in der Propstei Johannesberg oder am Neurathaus in Alsfeld. Die Restaurierung des "Runden Turms" in Breitenbach, das war ein Highlight seines Berufslebens, schwelgt Kurt in Erinnerungen.
"Bei der Restaurierung muss man gut überlegen, manchmal um die Ecke denken und vor allem die alten Techniken verstehen", sagt der Mann, der in seinem langen Berufsleben vielen Kulturgütern eine Zukunft geben konnte. Von den Restaurator*innen M.A. wünscht Kurt sich vor allem: Immer ein glückliches Händchen fürs Handwerk.
Eine sichere Zukunft für Fachwerkkultur
Zu den Referenzen eines Holzbaubetriebes zählen die Arbeiten an denkmalgeschützten Gebäuden. Eine bundeseinheitliche neue Prüfungsverordnung macht die Handwerksmeister*innen in Zukunft zu Akademiker*innen.
von Diana Wetzestein
Das Bundesbildungszentrum für das Zimmerer- und Ausbaugewerbe (BUBIZA) in Kassel bildet Restaurator*innen dahingehend aus. Im Frühjahr 2022 wird Geschäftsführer Helmhard Neuenhagen zum letzten Mal einen Kurs nach der alten Restauratorenverordnung anbieten. Mit 550 bis 600 Stunden zu einem Preis von unter 3.000 Euro wird der in Rechnung gestellt. In Kassel wurden in den vergangenen 30 Jahren über 350 Zimmermeister zu Restauratoren im Zimmererhandwerk ausgebildet. Diese Teilnehmer*innen legten danach vor dem Prüfungsausschuss der Handwerkskammern erfolgreich die Prüfung zum Restaurator im Handwerk (RiH) ab. Im Bereich der handwerklichen Restaurierung stellt der RiH derzeit die höchste Qualifikationsstufe dar.
"Nach der neuen Prüfungsverordnung werden 800 Stunden gefordert, der Kurs wird also länger und auch teurer. Wir bilden ab 2023 nach der neuen Verordnung aus. Die Restaurator*innen werden dann einen akademischen Masterabschluss als "Restaurator*in M. A." erhalten. Der dafür zuständige Zentralverband Deutsches Handwerk stellt den Absolvent*innen bessere Berufs- und Aufstiegschancen in erweiterten Aufgabenbereichen in Aussicht, die über das Handwerk hinaus gehen. Zum Beispiel in der Verwaltung, in Museen oder anderen Institutionen", so Neuenhagen.
Dirk Hartmann sieht diese Qualifizierung mit gemischten Gefühlen. Wenn gut ausgebildete Restaurator*innen in Büros arbeiten, fehlten sie an den Baustellen. "Dort sollen sie Mitarbeiter anleiten oder ausbilden, müssen gemeinsam mit den Altgesellen und Auszubildenden denkmalgerechte Lösungen direkt an der Baustelle finden. Nur wenn theoretisches Wissen in praktische Arbeit überführt werden kann, schaffen wir es, unsere historischen Fachwerkhäuser zu erhalten“, so Hartmann.
Vor über zwei Jahrzehnten kostete die Weiterbildung 1.300 DM, für Kurt seinerzeit finanziell nicht möglich. Aber auch ohne den Titel "Geprüfter Restaurator im Handwerk" hat er verzierte Gesimse, Bereiche, die richtig knifflig waren, bekommen und die Arbeiten fachgerecht ausgeführt. Das habe ihm richtig Spaß gemacht, viele Baustellen habe er noch vor Augen, in Fulda an fast allen Kirchen und am Dom gearbeitet. Er erinnert sich gerne an Arbeiten in der Propstei Johannesberg oder am Neurathaus in Alsfeld. Die Restaurierung des "Runden Turms" in Breitenbach, das war ein Highlight seines Berufslebens, schwelgt Kurt in Erinnerungen.
"Bei der Restaurierung muss man gut überlegen, manchmal um die Ecke denken und vor allem die alten Techniken verstehen", sagt der Mann, der in seinem langen Berufsleben vielen Kulturgütern eine Zukunft geben konnte. Von den Restaurator*innen M.A. wünscht Kurt sich vor allem: Immer ein glückliches Händchen fürs Handwerk.
Info: Hartmann Holzbau ist Mitglied von pro holzbau hessen. Der Clusterinitiative für den Holzbau!